Die soziale Marktwirtschaft wie wir sie
bisher kannten, wird nach und nach abgeschafft. Eine
Wirtschaftsoligarchie wird aufgebaut und wenn es nach Deutschland
geht, für ganz Europa. Viele Konservative schwärmen von vergangenen
Zeiten den „goldenen“ zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts
nämlich. Da war nach ihrer Meinung die Welt und der Staat noch in
Ordnung. Ich möchte deshalb ein Buch empfehlen, das diese Zeit
anschaulich schildert.
Rezension:
Rezension:
Stefan Zweig - Rausch der Verwandlung -
Der sozialkritische Roman spielt in den
zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Hauptfigur ist
eine junge
Postangestellte aus einem österreichischen Dorf, die in
ärmlichen Verhältnissen lebt und ihre kranke Mutter pflegt. Eines
Tages wird sie von reichen amerikanischen Verwandten, die Urlaub in
der Schweiz machen, in ein Hotel nach Pontresina eingeladen. Dort
lernt sie eine andere, eine feudale Welt "ohne Arbeit und ohne
Armut" kennen. Es beginnt eine märchenhafte, eine rauschhafte
Verwandlung der Protagonistin.
Zweig schildert in seinem typischen
emotionalen Erzählstil voller einfühlsamer, sezierender Psychologie
diese Verwandlung. Er schildert aber auch das abgehobene Leben der
Eliten, die mit der "Selbstverständlichkeit des Geldes"
keinen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Normalbürger haben und sich
von ihnen entfremdet haben. Mehr noch, die von Standesdünkel gelenkt
sind, sich von der gewöhnlichen Welt abgrenzen und sich sogar
jedweder Mühe des Daseins durch Dienstboten entziehen.
Als wegen gesellschaftlicher Intrigen
das Märchen für die Protagonistin endet und sie unvermittelt wieder
in ihr Dorf zurückgeschickt wird, kann sie sich nicht mehr in ihr
altes Leben einfinden. Sie versucht durch regelmäßige Fahrten nach
Wien wenigsten für kurze Zeit ihrer Tristesse zu entfliehen. Dort
lernt sie dann einen Hilfsarbeiter kennen, einen jungen
Kriegsheimkehrer, dem der Staat seine Jugend, seine Gesundheit, sein
Erbe genommen hat. Sie verlieben sich ineinander und treffen sich
regelmäßig. Dann erfährt der Plot eine überraschende Wendung und
ein ungewöhnliches Ende, das ich nicht verraten möchte.
Obwohl vor rund 80 Jahren geschrieben,
ist es ein aktueller Roman. Leider! Er beschreibt, was entfremdete
Arbeit und das Versagen gesellschaftlicher Gruppen, besonders das
fehlen von Solidarität und das Fehlen eines Sozialstaates mit
Menschen macht, die nicht von ihrem Lohn auskömmlich und somit
anständig leben können. Vor allem keine Perspektive haben. Es ist
eine Abrechnung mit einem solchen Staat, der nicht für seine Bürger
da ist sonder vielmehr die Bürger für den Staat (diesen
übergeordneten Apparat) da sind. Ganz besonders die unteren
Schichten, die auf ihre Funktion beschränkt sind und eine Art
Inventar darstellen.
"Nichts macht einen wütender, als wenn man wehrlos ist gegen irgend etwas, das man nicht fassen kann, gegen das, was von den Menschen kommt und doch nicht von einem einzelnen, dem man an die Gurgel kann."
Dennoch, es ist keine linke Kampfschrift. Der Humanist Zweig zeigt
vielmehr sehr anschaulich die psychologischen Ursachen und Wirkungen
auf die Personen. Auch ist es ein Porträt einer Zeit von
gesellschaftlichen Klassen, die wir als vergangen glaubten aber wer
weiß...
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