Donnerstag, 29. Dezember 2011

Occupy 2012 – Demokraten dringend gesucht

Ein Aufruf und eine Einordnung der aktuellen Krise und des neuen globalen Bewegungszyklus „Occupy- Bewegung“. Die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten für uns alle.

Ein politischer Raum wurde geschaffen 
Alles begann in Tunesien mit der Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers, der die Schikanen der Polizei nicht mehr aushielt. Der arabische Frühling nahm daraufhin seinen lauf und schwappte nach dem Sturz des Diktators Ben Ali nach Europa. Im Mai kam es in Spanien zu Großdemonstrationen und im September sogar in den USA. Dann am 15.10.11 ein vorläufiger Höhepunkt mit dem globalen Aktionstag in 82 Ländern und 951 Städten. Allein in Deutschland kamen in 50 Städten 40.000 Menschen zusammen. Dies war dann auch der Start für die Occupy Bewegung in Deutschland mit der Errichtung des Camps vor der EZB in Frankfurt und anderen Städten. Seit dem ist vor allem durch die Präsenz des Camps vor der EZB ein politischer Raum vorhanden, der als Symbol überaus wichtig ist und in den Medien wahrgenommen und diskutiert wird.

Der Occupy Bewegung ist es zu verdanken, dass das in großen Teilen der Bevölkerung vorherrschende Gefühl von Frustration und Ohnmacht auf die Straßen und die Plätze getragen wurde. Es ist eine Empörung über Profitgier, Missmanagement und Klientelwirtschaft der selbsternannten Eliten mit ihrem System aus Geld, Macht und Einfluss zu Lasten und zur Ausbeutung der Allgemeinheit und die damit verbundene Bedrohung auf das soziale Gefüge. Dieses Gefüge, auf das man in Europa einmal stolz war. Das heute als zu teuer diffamiert wird. Aus Kalkül und mit verheerenden Folgen!

Vorläufiger Höhepunkt der deutschen Bewegung war der Aktionstag „Banken in die Schranken“ am 12.11.11 in Berlin und Frankfurt, der von einem breiten Bündnis getragen wurde. Alleine in Frankfurt kamen 10.000 Menschen zusammen. Es ist gegenwärtig davon auszugehen, dass die Proteste im Frühjahr wieder belebt werden und mit neuer Dynamik in die Gesellschaft getragen werden.

Gegenmaßnahmen gestartet
Gegenmaßnahmen zur Protestbewegen wurden bereits eingeleitet. Das Angebot einer Lobbyagentur in den USA, mit dem Inhalt einer Negativkampagne gegen die Occupy Bewegung, machte bereits im November Schlagzeilen. Hinzu kommt das harte durchgreifen der Polizei bei der Räumung der Camps in den USA.
Naomi Wolf: „Amerika wacht auf und sieht, was geschehen ist, während es schlief: Seine Polizisten werden von privaten Unternehmen umworben (die Großbank JP Morgan Chase hat der New York City Police Foundation, der Stiftung der New Yorker Polizei, 4,6 Mio. Dollar an Spenden zukommen lassen); das Ministerium für innere Sicherheit der Vereinigten Staaten hat kleinere Polizeibehörden auf kommunaler Ebene mit militärspezifischen Waffensystemen ausgerüstet; die Bürgerrechte der Rede- und Versammlungsfreiheit sind schleichend durch undurchsichtige Genehmigungsauflagen zersetzt worden.“
Dazu passt auch eine Studie des britischen Verteidigungsministeriums. Die zukünftigen Konfliktformen sind nicht mehr Staaten gegen Staaten sondern Oben gegen Unten. Reich gegen Arm, Kapital gegen Arbeit. Der Titel dieser Studie: Future Strategic Context. Das überraschende Ergebnis war, dass man von Konflikten innerhalb der Gesellschaft ausgeht. Neue Bürger-, Sippen- und Klassenkriege da bis zum Jahr 2037 mehr als 60% der Menschen weltweit in verslumten Städten leben würden und Arbeitslosigkeit und Not einen sozialen Sprengsatz darstellen.

Wir sollten uns nicht täuschen. Auch in Deutschland wird an Strategien gearbeitet um der Bewegung zu schaden bzw. sie für eigenen Zwecke einzunehmen. Beispielhaft ist der ehemalige BDI Präsident und Dauergast sämtlicher politischer Talkshows Hans Olaf Henkel. Dieser spielt mit den Ängsten der Bevölkerung und instrumentalisiert sie für seine politischen Zwecke. Zusammen mit Verschwörungstheoretikern die es leider in Vielzahl gibt und anderen Initiativen wie z.B. „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“ oder „Netzwerk Volksentscheid“, oder „Partei der Vernunft“ (pdv) verfolgt er eine Querfrontstrategie. Ihre Kritik am Finanzsystem, der Gemeinschaftswährung Euro in Verbindung mit einer Art D-Mark-Nostalgie sowie der Inflationsangst. Sie spielen geschickt mit Thesen, die im rechts- populistischen Lager begeistert aufgenommen werden. Besonders tragisch ist, dass die gleichen Thesen auch bei links denkenden Menschen verfangen und somit eine geballte Meinungsmanipulation breiter Bevölkerungsschichten erreicht wird.

Die Aussichten: Politik der Schockstrategie
Der neoliberale Guru Milton Friedman hatte es bereits als Kerndogma formuliert: „Nur eine Krise führt zu echtem Wandel“. Weil dann: „das politisch Unmögliche politisch unvermeidlich wird“. Genau das geschieht zur Zeit in Europa. Die Eurokrise ist willkommen da Europa umgebaut werden soll. Die Bundesregierung fährt eine Politik der Schockstrategie. Damit will sie eine Eskalation der Krise erreichen um ganz Europa eine Endsolidarisierung aufzwingen. Ganz nach dem Vorbild von Bolivien. Dort ist es mit der gleichen Strategie gelungen, die Gewerkschaften zu entmachten und die Gesellschaft wehrlos gegen das neoliberale Programm zu machen. Wolfgang Schäuble hat es offen angesprochen. Die Eurobond-Lösung würde die Anleihekrise sofort beenden. Der „schmerzhafte Druck“ soll aber aufrecht erhalten bleiben. Erst soll also die Krise die Wirtschaft und die Gesellschaft schwächen um dann die neoliberale Politik der Deregulierung, Privatisierung, des Sozialabbaus und eines großen Niedriglohnsektors durchzusetzen.

Resümee
Unsere repräsentative Demokratie basiert auf Vertrauen. Entscheidungsprozesse werden an Abgeordnete delegiert, die im Sinne des Souveräns handeln sollen. Dieses Vertrauen wurde auf das schäbigste missbraucht da unsere Repräsentanten eine schamlose Klientelpolitik betrieben und weiterhin betreiben. Sie berücksichtigen zuerst die Interessen der Lobbyisten, die im Kontrast zu den Interessen des Bürgers stehen. Die Folgen sehen wir täglich. Finanzkrise, Niedriglohnsektor, Zweiklassenmedizin, marodes Bildungssystem, Abrutschen der Mittelschicht.

Bei aller Kritik, die man gegenüber der Occupy Bewegung haben kann, es gibt keine Alternative zur Occupy Bewegung. Keine Partei, keine Gewerkschaft, keine Organisation hat das Potenzial eine ähnliche weltweite Protestbewegung mit dieser Dynamik zu erzeugen. Damit auch keine Chance auf einen breiten Erfolg.
Wer als Empörter oder auch nur als aufmerksamer und verantwortungsbewusster Bürger einen echten, einen effektiven Beitrag leisten will, um eine Umkehr des verheerenden neoliberalen Kurses zu bewirken, kommt um persönliches Engagement nicht herum. Noch nie seit dem Ende des 2. Weltkrieg war der Zusammenhalt unsere Gesellschaft und unsere Demokratie mehr gefährdet als heute. Man kann es sehen. Der Sozialstaat, auf den man einmal so stolz war, er wird aufgegeben. Sogar die Demokratie, wie wir sie bisher kannten, wird zur Disposition gestellt. Nicht von Radikalen sondern von unserer Kanzlerin höchst persönlich mit der Losung: „Marktkonforme Demokratie“. Im Klartext: weniger Demokratie und Teilhabe für die Bevölkerung dafür noch mehr Lobbyismus und Klientelwirtschaft.

Wir erinnern uns: die „geistig moralische Wende“ Helmut Kohls und „durch Deutschland muss ein Ruck gehen“ von Roman Herzog und „sozial ist, was Arbeit schafft“ von Gerhard Schröder. Das alles waren keine leeren Worte. Die Folgen erleben wir gerade in konsequenter Zuspitzung. Wir werden auch mit den Konsequenzen der „marktkonformen Demokratie“ leben müssen wenn nicht die Bürger das verhindern. Die Politik und die mächtigen Wirtschaftsverbände haben es auf ihrer Agenda.
Jeder Einzelne ist deshalb wichtig und unentbehrlich im demokratischen und gewaltfreien Kampf. Die Weichen werden 2012 gestellt. Jeder von uns trägt seine Verantwortung. Für sich, für seine Kinder und für die Gesellschaft.

Großartiger Augenblick, eine Jahrhundertwende, die zur Zeitwende wird: Europa hat einen Atemzug lang gleichsam ein Herz, eine Seele, einen Willen, ein Verlangen. Übermächtig fühlt es sich als Ganzheit angerufen von noch unverständlichem Befehl zur Verwandlung. Herrlich bereit ist die Stunde, Unrast gärt in den Ländern, atmende Angst und Ungeduld in den Seelen, und über all dem schwingt und schwebt ein einziges dunkles Lauschen nach dem befreienden, nach dem zielsetzenden Wort; jetzt oder niemals ist es dem Geist gegeben, die Welt zu erneuern.
Stafan Zweig in „Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam“

3 Kommentare:

  1. Überzeugen sie heute mal die menschen mitzumachen ..dann bekommt sie als antwort .....mach du mal ,ich schaue mir das am fernseh an ...

    AntwortenLöschen
  2. Oder es heißt: "Ich da mitmachen? Ich mach´ mich doch nicht lächerlich!". Oder "Ich würde ja eigentlich gern, aber doch nicht jetzt! Ist doch viel zu kalt/nass draußen!". Oder aber "Ich stelle mich mit diesen ganzen Spinnern und Chaoten doch nicht auf dieselbe Stufe!".

    AntwortenLöschen
  3. Leider ist es heutzutage 80% der Jugend völlig egal, was in diesem Land passiert, solange es nicht sie persönlich betrifft oder den Verlust von Smartphone, Facebook und Co. zur Folge hat. Das Interesse mal hinter die Kulissen zu schauen und Dinge zu hinterfragen und nicht einfach hinzunehmen ist leider an der Tagesordnung! Die Begeisterung persönlich etwas zu Bewirken wird ja schon lange gezielt unterdrückt. Informationssendungen in den Medien weichen Sensationsformaten wie "Ich bin ein Star... holt mich hier raus" oder "Deutschland sucht den Superstar", bei denen gezielt mit Lächerlich machen und Versagen manipuliert wird. Unsere Medien sind leider ein Grund, warum unsere Jugend und damit auch unsere Zukunft immer mehr zu "ferngelenkten" Zombies mutiert. Das wiederum wird unserer Regierung natürlich sehr gefallen!
    Ich habe den Wunsch, das es noch genug Menschen gibt, die sich zusammenschließen und auf die Straße gehen werden und diesem endlich ein Ende setzen werden... 1989 ging es ja schließlich auch! Die Occupy - Bewegung läßt da sehr hoffen!

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.