Sonntag, 30. Juni 2013

Ein Gespenst geht um die Welt

Die Proteste sind wieder da. In Staaten, in denen man es nicht vermutet hätte. In der Türkei und in Brasilien. Die Auslöser scheinen erst einmal banal. Abriss von Bäumen in einem Park in Istanbul und eine Fahrpreiserhöhung für den Bus in Brasilien. Diese Dinge sind jedoch nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Die Ursache ist in beiden Fällen die Gleiche. Neoliberalismus. Also das System der systematischen Ausbeutung der Gesellschaft und des Staates zugunsten einer elitären Minderheit und zu Lasten der Allgemeinheit.

Beide Staaten haben in den letzten Jahren einen großen wirtschaftlichen Boom erlebt. Doch bei der Bevölkerung kommt nichts an. Vor allem den jungen Menschen hat man immer eingebläut, sie müssten eine gute Ausbildung machen und fleißig lernen dann bekommen sie entsprechende Berufe und das dazugehörige Einkommen und die damit verbundenen Sicherheiten. Die jungen Menschen haben ihren Teil erfüllt. Diese Generation ist die am besten ausgebildetste die diese Staaten je hatten und trotzdem haben sie schlechtere Perspektiven als ihre Eltern.

Arbeiten auf dem Niveau einer Wirtschaftsmacht. Leben auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. Parallel dazu wächst der Reichtum der Oberschicht ins Gigantische und sie, die Reichen, haben sich den Staat und seine Institutionen Einverleibt. Es wird nur noch da investiert, wo es dieser Elite nützt. Gespart wird da, wo es der Elite nicht schadet. So ist für Prestigeobjekte immer genügend Geld da. Für klassische kommunale u. staatliche Aufgaben nicht.


Es ist die gelenkten Demokratie bestehend aus Verachtung, Manipulation und subtiler Unterdrückung die neben den wirtschaftlichen Verhältnissen die Menschen empört. Diese Arroganz der Mächtigen gegenüber der breiten Gesellschaft und die damit verbundene Entwürdigung der Fähigkeiten dieser Gesellschaft, die diese Wirtschaft und den Staat letztlich tragen.

Es ist das eine, vom wirtschaftlichen Wachstum nicht das verdiente Stück abzubekommen. Es ist aber noch einmal etwas anderes, oben drauf auch noch die Würde unterschlagen zu bekommen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Proteste entwickeln und ob sie Erfolg haben werden oder ob sie enden, wie die Occupy Bewegung. Eines aber ist sicher, irgendwo auf der Welt bildet sich gerade wieder ein Tropfen über einem Fass voller neoliberaler Jauche, das kurz vorm überlaufen ist.

Vielleicht verstehen die Menschen auch hierzulande endlich einmal, dass der türkische Facharbeiter und der brasilianische Informatiker mehr mit ihnen gemeinsam hat, als der deutsche Banker.