Freitag, 6. Januar 2012

Der Staatsfeind Nr. 1 - ein Schreckgespenst mit Namen Inflationsangst

Als Kind war ich mal mit meiner jüngeren Cousine am Rhein und ein Schiff lag mit ordentlich Tiefgang im Wasser. Die Fenster des Frachters waren nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche. Sie glaubte, wenn der Wasserstand des Rheins steigen würde, würde das Wasser durch das Fenster in das Schiff laufen. Mit dem gleichen Gedankenkonstrukt glauben rund 50% der Deutschen, dass wenn die Geldmenge steigt, es auch zu einer Inflation kommen müsste. Aber so wenig, wie die Wassermenge also der Pegelstand des Rheins, mit dem Tiefgang eines Schiffes zu tun hat, so wenig hat die Geldmenge bzw. ihre reine Zunahme mit einer Inflationsgefahr zu tun.

Sagenumwobene Druckerpresse
Das historische Beispiel, das immer angeführt wird, sind die 20'ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Dem allgemeinen Mythos nach, wurde damals die Geldmenge durch das anwerfen der Druckerpresse erhöht und führte in eine Hyperinflation und letztlich in den 2. Weltkrieg. So banal wie falsch! Damals, zwischen zwei Weltkriegen, herrschte eine völlig andere Situation. Ich sehe nicht, dass die heutige Europäische Union, Unmengen an Reparationen abführen muss und ich sehe auch keine erhebliche Umstellung der Produktionskapazitäten auf Rüstungsprodukte und somit infolge keine Warenverknappung. Aber genau das war damals ausschlaggebend.

Wo soll der Zusammenhang sein zwischen Geldmenge und Inflation? Die Preise für Waren richten sich zum einen nach den Herstellungs- u. Beschaffungskosten und zum anderen nach dem Umstand Angebot und Nachfrage. Es kann zu einer Inflation nur kommen, wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist. Wir haben aber ein Verdrängungswettbewerb und keine Verknappung. Eine Abnahme der Warenmenge ist nicht in Sicht.

Da wir zur Zeit weder vor einem Weltkrieg stehen, noch Produktionskapazitäten hierfür umgewandelt werden, sehe ich nicht, wie eine Warenverknappung und somit Verteuerung also Inflation herbeigeführt werden sollte. Die Erhöhung der Geldmenge führt nur dann zu mehr Nachfrage und somit Inflation, wenn diese Geldmengenerhöhung auch bei den Konsumenten ankommt und somit mehr Nachfrage generiert. Man müsste also Geld flächendeckend mit dem Helikopter abwerfen oder sich eine andere Verteilungsart einfallen lassen. Dann hätte man zwar Inflation aber, das wäre dann auch kein Problem, da die Menschen sich wegen mehr Geld in der Tasche auch höhere Preise leisten könnten...

Inflationsangst- Jünger
Soweit die Fakten aber wer interessiert sich heute noch für Fakten? Einfache Wahrheiten und einfache Lösungen stehen hoch im Kurs. So kennt man es aus dem rechts-populistischen Spektrum. Es gibt leider auch ein Pendant hierzu auf der linken Seite. Ich nenne sie der Einfachheit halber mal links-populistisch. Typisch für diesen Personenkreis, ist das schüren und festhalten an der Inflationsangst. Manchmal noch etwas angereichert durch leichte Esoterik wie z. B. dem Zinseszins-Problem, was man mit dem Josephspfennig Gedankenexperiment zu belegen sucht. Natürlich ohne Berücksichtigung der störenden Randbedingungen wie z.B. Inflation, Steuern, Risiko usw. weshalb es ja auch Quatsch ist und schon seinerzeit sogar Karl Marx über dieses realitätsferne Gedankenspiel spottete.

Doch zurück zur Inflationsangst. Es zeigt sich, dass viele Europa-Skeptiker gerne diese typisch deutsche Inflationsangst aufgreifen und massiv schüren. Meist in Verbindung mit einer Art D-Mark-Nostalgie. Aber, der Euro ist nicht gefährdet durch Inflation sondern durch den deutschen Exportüberschuss. Da die Exporte nicht verschenkt werden, ist des einen Forderung immer des anderen Verbindlichkeit. Wenn also einer dauerhaft mehr exportiert als der Andere, kommt es irgendwann zu solchen Verwerfungen, wie wir sie jetzt im Euroraum haben.

Ideologische Vereinnahmung
Deshalb haben wir während der Finanz- und Euro-Krise so ziemlich alles an Problemen aber was wir mit Sicherheit nicht haben, ist eine Inflationsgefahr. Diese in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitete Angst vor einer Inflation, wird Instrumentalisieren von diversen Strippenziehern, die auf dieser Welle ihre kruden Ziele verfolgen. Als Beispiel sei hier die Schuldenbremse oder Lohnzurückhaltung genannt.

Wie es nun mal bei Fanatikern ist, sind viele bei diesem Thema ideologisch so verbohrt, dass rationale Argumente einfach an ihnen abperlen, wie Wasser an einer Imprägnierung. So, als würde man ihnen etwas liebgewordenes wegnehmen, wenn man diese Angst entkräftet. Weil aber die Thesen dieser Inflationsangst- Jünger auch bei links gerichteten Menschen verfangen, ist es doppelt fatal, was z. B. bei Aktivisten innerhalb der Occupy Bewegung dazu führt, dass das ganze Anliegen ad absurdum geführt wird. Denn, wenn die Bewegung durch die Hintertür für die Ziele der Neoliberalen kämpft und das nur, weil viele sich nicht mit Sachfragen auseinandersetzen wollen, ist die Sache schon von vornherein verloren. Das anrennen gegen Windmühlen sollte alten Männern mit Blechschüssel auf dem Kopf vorbehalten bleiben.

3 Kommentare:

  1. Wirtschaftskreislauf 1 : Realwirtschaft
    Wirtschaftskreislauf 2 : Börsencasino

    Die Geldmenge WK2 steigt durch Zins und Zinseszins exponentiell an.
    Stirbt das Vertrauen derer , die im WK 2 investiert sind für ihr " fiktives " Buchgeld einen Gegenwert im WK1 zu erhalten so werden sich diese gigantischen Summen auf der Suche nach Sachwerten in den WK1 ergiessen ( Inflation ).
    Da werden Flutwellen ihren Rheindampfer kentern lassen.

    Des weiteren sind die Zins und Zinseszins Ansprüche der Anleger in den Preisen der Realwirtschaft eingepreist ( impliziert )
    Heute schon 30% Zins in jedem Produkt.

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  2. Dieser Kommentar ist ein gutes Beispiel für die von mir angesprochene Esoterik innerhalb der Diskussion um Inflation. Das Vertrauen „stirbt", Buchgeld „ergießt" sich... Fehlt nur noch, dass der Himmel einstürzt und 7 Plagen über uns kommen.
    Aber eines nach dem anderen: 1. die Geldmenge steigt durch die Vergabe(!) von Krediten und nicht durch deren Verzinsung.
    2. wenn Geld vermehrt in die Realwirtschaft investiert wird anstatt in das Börsenkasino, wo ist dann das Problem? Ist das nicht der Wunsch aller Regierungen? Will man deshalb nicht eine Finanztransaktionssteuer um das Börsencasino zu schließen? Haben wir Finanzkrise wegen einem aufgeblähten Börsencasino oder wegen zu wenig Börsencasino?

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  3. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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