Samstag, 14. Januar 2012

Wege aus einer kranken Gesellschaft

Bereits 1953 untersuche Erich Fromm die seelische und geistige Erkrankung unserer westlichen Gesellschaftskultur. Er veröffentlicht seine sozialpsychologische Untersuchung in „Wege aus einer kranken Gesellschaft“. Die Erkenntnisse in diesem Buch sind heute aktueller denn je und eine unverzichtbare Quelle für alle, die hinter die Dinge schauen wollen. Eine Zusammenfassung:
 
Der Mensch ist eine Laune der Natur. Durch seine Intelligenz und seine Begabung hat er sich im laufe seiner Entwicklung immer mehr von der Natur entfremdet. Am Anfang seiner Entwicklungsstufe war er Teil der Natur. Mit zunehmender Entwicklung seiner Intelligenz, begann er sich seiner Andersartigkeit bewusst zu werden. Er begann Götzen aus der Natur und dem Tierreich anzubeten, um sich weiter mit der Natur identifizieren zu können. Mehr und mehr entfernte er sich aber von der Natur, wurde von ihr unabhängiger. Vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer, Handwerker. Er begann sich seine Götzen nicht mehr von der Natur, sondern von Vatergottheiten abzuleiten, welche Vernunft u. Gesetze repräsentieren und gab diesen menschliche Gestalt. Trotz des Patriarchats, welche die Autorität verkörpert, also die Macht des Vaters in der Familie, des Priesters, des Königs und des väterlichen Gottes im Himmel, konnte man die matriarchalischen Elemente wie Erd- und Naturgebundenheit, also die Idee der all-liebenden und all-verzeihenden Mutter (wie z.B. in der Marienverehrung des Christentums), immer noch erkennen.
 
Mit dem Ende des Mittelalters, dem Entstehen der Wissenschaften und Beginn der Aufklärung, suchte der Mensch nach gesellschaftlicher und politischer Einigung. Er eroberte sich seine Freiheit von kirchlichen und weltlichen Autoritäten. Gleichzeitig macht er große Fortschritte in der Beherrschung der Natur. Seit der Industrialisierung, ist sein höchstes Lebensziel materieller Komfort. Im Mittelalter war das höchste und allgemein anerkannte Ziel des Menschen vor allem Erlösung zu finden. Zumindest in religiöser Hinsicht. Heute haben wir im Gegensatz dazu eine  rezeptive- Orientierung (immerzu was bekommen, empfangen, sich einverleiben) diese befriedigt den Menschen aber nicht auf Dauer. Verloren ging die Bezogenheit. Die Bezogenheit ist der Rahmen der Orientierung und das Objekt der Hingabe. Dieses Entspringt dem Bedürfnis nach Verwurzelung, Transzendenz, Identitätserleben.
 
Identitätsgefühl
Es wurden mancherlei Ersatzlösungen für ein echtes individuelles Identitätserlebnis gesucht und auch gefunden. Nation, Religion, Klasse und Beruf dienen als Lieferanten dieses Identitätsgefühls. Ich bin Amerikaner, ich bin Protestant, ich bin Geschäftsmann. Das sind die Formeln, die zu einem Identitätsgefühl verhelfen, nachdem die Clanidentität verloren ging.
Da der Mensch wegen seiner Vernunft und seines Bewusstseins aus der Natur herausgerissen wurde, sich bewusst über die Zufälligkeit der Geburt und des Todes ist, bindet er sich mittels Beziehungen an Mitmenschen. Dadurch bewahrt er sich seine seelische Gesundheit. Dieses erreicht er entweder durch Unterwerfung oder durch Macht. Durch die Unterwerfung des einzelnen an die Gruppe, Institution, Gott, vereinigt er sich mit diesen und schöpft daraus seine Identität. Durch Ausübung von Macht, macht er andere zum Bestandteil seiner selbst. Dadurch transzendiert er seine individuelle Existenz.
 
Marketingcharakter
Da die offenen Autorität (König, Fürsten, Priester) durch anonyme Autorität (Staat, Institutionen) ersetzt wurden, wurde auch das individuelle Gewissen ersetzt durch das Bedürfnis sich anzupassen und dadurch Billigung des anderen zu finden. Dies ergibt eine Tendenz sich selbst und andere zu manipulieren. Der Mensch entwickelte einen Marketingcharakter. Daraus folgt: Selbstgefühl basiert auf seiner sozio- ökonomischen Rolle. Sein Körper, Geist, Seele sind sein Kapital, was vorteilhaft investiert werden muss, um Profit aus sich zu ziehen. Diese Eigenschaften bilden das Persönlichkeitspaket, mit dem man –je nachdem- einen höheren Preis auf dem Personenmarkt erzielen kann. Dadurch aber entsteht ein Verlust des Selbstgefühls. Der Mensch erfährt sich nicht mehr als aktiver Träger seiner Kräfte und seines Reichtums, sondern als ein verarmtes Ding, das von Kräften außerhalb seines selbst abhängig ist, in der er seine lebendige Substanz hinein interpretiert hat. In der Vergangenheit bestand die Gefahr darin, dass der Mensch zum Sklaven wurde. Heute darin, dass er zum Roboter wird.
 
Entfremdung
Beim Aufbau des neuen Industrieapparats, ging der Mensch so in dieser neuen Aufgabe auf, dass sie zu seinem höchsten Lebensziel wurde. Die Kräfte, die er einst auf die Suche nach Gott und dem Heil verwandt hatte, richtete er jetzt auf die Beherrschung der Natur und auf einen ständig wachsenden materiellen Komfort. Die Produktion diente ihm nicht mehr als ein Mittel zu einem besseren Leben, sondern er machte sie zum Selbstzweck, zu einem Zweck, dem er das Leben unterordnete.
Die Entfremdung ist heute fast total. Sie ist gekennzeichnet durch die Beziehung zu seiner Arbeit, zu den Dingen, die er konsumiert, zum Staat, zu Mitmenschen und zu sich selbst. Er hat sich eine Welt von „ihm selbst geschaffenen Dingen“ geschaffen.
Da er kein Selbst-Gefühl besitzt außer dem, das die Übereinstimmung mit der Mehrheit geben kann, ist er unsicher, ängstlich und von der Billigung anderer abhängig. Er ist sich selbst entfremdet. Er verehrt das Erzeugnis seiner eigenen Hände, die Führergestalten, die er selbst geschaffen hat. So, als ob sie über ihm stünden und nicht seine Geschöpfe wären.
 
Gesellschaftlicher Wandel
Erich Fromm sah den Ausweg für unsere Gesellschaft darin, dass der Mensch sich eine gesunde Gesellschaft schafft, in der die Dinge wieder im Dienst des Lebens stehen. In einem, wie er es nannte, „humanistischen kommunitären Sozialismus“ und nicht im Kapitalismus oder Kommunismus.
 
Weiterführende Informationen zu Erich Fromm gibt es bei der Internationalen
Erich-Fromm-Gesellschaft:
http://www.erich-fromm.de/biophil/joomla/

1 Kommentar:

  1. Von Bert, treffm@ich.ms

    Wieso ausgerechnet Fromm, der - so zumindest in der Einleitung vor allem / nur (?) im Westen das krankhafte "findet" - Deutschland ist ja auch besonders "westlich" (gewesen), so kurz nach der Kapitulation oder durch sie ? , - der
    eine Art Wechselstube für das Sein-gegen-Haben einrichtet . . .
    und die Herkunft und den Kern seiner interessantesten Dinge, - die ich eher aus seinem Buch "Die Anatomie der menschlichen Destruktivität" kenne - verschweigt und auch daher zum Teil zu zu widersprüchlich bis unverständlich bleibt, - sich
    jedoch immer wieder für die deutsch(ideologisch)e Klage gegen den Materialismus "gut" eignet:
    Er hat wesentliches von Dr. Wilhelm Reich und seine Charakteranalyse, Vegetotherapie und die (Verschweigung) der bio-energetischen Grundlagen.

    So ist es auch kein Zufall, daß sich Klaus Theweleit bei der antifaschistischen Gesellschaftskritik und Kritik auch an dem dominierenden Linken-Typus sich nicht nur, aber ziemlich sehr auf Reich stützt, wohingegen Fromm nur unter "Andere Literatur" erscheint.

    Fromm hatte Angst, wie so viele zeitweilig von Reich Lernenden vor dem "faschistischen" Kern des ganzen Sache, der acuh einem wichtigen teil der Antifaschisten und Demokraten zu sehr unter die Haut geht und/oder an ihr (rest-) marxistisches oder wenigstens anti-kapitalistisches oder anti-/christliches Dogma rührt, als daß sie zum Nutzen der ganze Gesellschaft der Wahrheit die Ehre gäben

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